Zur "Begrünung der Seele"

Ein unübersehbarer Trend geht in Richtung „Grün“ - ob es sich nun dabei um den neuen Gartenkult, die Begrünung von Städten oder auch eine vielleicht neue Hinwendung zur Natur im therapeutisch/ beratenden Bereich handelt. Immer mehr Therapeuten, sei es im körperlich-medizinischen oder psychologischen Bereich setzen auf die Heilkraft der Natur. 

Die traditionelle Psychologie sei „… zu sehr auf die Beziehung des Menschen zu anderen Menschen konzentriert, sagt Ulrich Gebhardt (Prof. f. Didaktik d. Naturwissenschaften) und Hilarion Petzold (dt. Psychologe, Mitgebründer des Fritz Perls-Institut) spricht in diesem Zusammenhang in einem Interview 2014 über die Notwendigkeit der „Begrünung der Seele“. 

Was ist überhaupt die Seele, gibt es sie tatsächlich und haben alle Lebewesen eine Seele? Wer, wenn nicht die Lehre von der Seele, also die Psychologie könnte darauf Antworten haben, werden Sie denken. Doch wie steht die moderne Psychologie wirklich dazu und welchen Zusammenhang sieht sie zwischen dem Menschen und der Natur? Um darauf Antworten zu finden ist es interessant, aber vor allem unweigerlich notwendig weit in die Zeiten zurückzublicken. 

In den letzten Jahrtausenden gab es einen deutlichen Wandel bzgl. der Stellung des Menschen in und zur Natur. 

In der Archaischen Welt galt der Mensch als Teil der, von Geistern und Göttern beseelten Natur und war mit dieser untrennbar verbunden, genauso wie Körper und Seele. 

Diese Einheit wich einer stetigen Differenzierung, die sich in der Welt der Griechischen Antike über die Aufzeichnungen der ersten Philosophen mit Konzepten zur Seelenlehre deutlich zeigt. Die Seele wurde als eigenständiger Teil des Menschen gesehen. Der Mensch war nicht mehr untrennbar mit der Natur verbunden; wohl aber galt diese nach wie vor als beseelt und von den Göttern bewohnt. Das sollte sich bis zur Geburt Christi ändern. Immer mehr entfernte sich der Mensch von der Natur und machte sich diese untertan. Mit der Wende weg vom einheitlich-natur-göttlichem hin zu einem menschlich-selbstverantwortlichem Weltbild kam es zum Seelenverlust der Natur und des Menschen. 

Mit Christi Geburt kam es zur „Auferstehung der Seele“ und der Vielgötterglaube sollte vereinheitlicht werden. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte  wurden zahlreiche heidnische Waldheiligtümer geschändet, übrig gebliebene Rituale und das Wissen der Waldvölker im christlichen Glauben „aufgefangen und angepasst“. 

Das Ende des Mittelalters brachte den völligen Verlust des Symbolbewusstseins der Natur. Der Mensch galt als von der Natur völlig abgetrennt und wurde als Maschine gesehen (Descartes). Die deutliche Trennung von Leib und Seele wurde postuliert und das Herz als wichtigstes menschliches Organ durch das Gehirn ersetzt. Mit der erstmalig gedruckten Erwähnung des Wortes „Psychologia“ um 1574 sollte die Lehre von der Seele wissenschaftlich werden und sich der Mensch endgültig als Herr und Meister über die Natur erheben. 

Um 1970 löste das Bild des Computers die Vorstellung vom Menschen als Maschine ab, um 1980 sprach man vom „Konnektivismus“. Das zentrale Konstrukt war von nun an Netzwerke und das menschliche Gehirn stand immer mehr im Zentrum der Psychologie. Heute anerkennen Ärzte und Therapeuten immer mehr die Wichtigkeit der Natur für unsere Gesundheit und es erhebt sich ein neuerlicher Versuch der Hinwendung. 

Deutlich zu erkennen ist ein Zusammenhang zwischen dem „Seelenverlust“ im Menschen und in der Natur. In der modernen Psychologie ist die Seele abgeschafft. Der Mensch besteht aus Körper und hauptsächlich Unbewusstem. Bedeutet das neue „Going Green“ nun dazu eine Gegenbewegung und läutet die Entwicklung der Hinwendung zur Natur ebenso eine Wende zu einem „beseelteren“ Menschen mit Hirn UND Herz ein? 

Sicher ist jedenfalls, dass das Paradigma, die Welt ausschließlich vom Menschen her zu betrachten, an eine Grenze gelangt ist. Der Mensch muss versuchen, wieder eine Beziehung zur Natur aufzubauen.

Vielleicht ermöglicht und fördert der Schritt, die Seele der Natur wieder aufleben zu lassen die Entwicklung, den Menschen wieder mehr als Wesen der Einheit von Körper, Geist und Seele zu sehen.